Interessantes
Der Vagabund am Familientisch
In einer schlesischen Stadt schlenderte vor einer Reihe von Jahren
ein bettelnder Vagabund auf seiner Tour von Haus zu Haus. Er hatte
an diesem Vormittag schon etwa drei Mark zusammengebettelt und
war fest entschlossen, sein einträgliches Tagewerk zu beenden, um in
der Kneipe den leichtverdienten Lohn zu verjubeln. Da fiel sein Auge
auf ein nahe liegendes Haus, und er dachte: Du könntest ja diesem
Haus auch noch erst einen Besuch abstatten. Er trat ein — es war um
die Mittagszeit. Wieder brachte er seine gewohnten, schwindelhaften
Bitten vor. Die Frau, welche eben das Essen auf den Tisch gestellt hat-
te, meinte zu ihrem Mann: „Da ist ein armer Handwerksbursche, wir
könnten ihn wohl an unsern Tisch nehmen."
Gesagt, getan. Der Stromer fand seinen Platz am Familientisch, es
wurde gebetet und gegessen. Alsdann nahm der Hausvater eine Bibel,
las ein Kapitel, dann knieten alle nieder, auch der Vagabund. Der Haus-
vater dankte und betete. Er flehte in diesem Gebet, daß der Gott aller
Gnade sich auch des Handwerksburschen erbarmen, ihm Licht über
seine Sünde und Zuflucht zur Gnade Gottes schenken wolle. Der hei-
matlose Fremdling, mächtig ergriffen vom Geist Gottes, sprach in die-
sem Augenblick aus:
„Herr Jesus, wenn Du wirklich da bist, so wie diese glücklichen Men-
schen Dich hier anrufen, dann übergebe ich mich Dir!"
In demselben Augenblick empfing dieser Mann Gewißheit der Ver-
gebung seiner vielen Sünden, Frieden mit Gott, eine überströmende
Freude. Er bekannte seine vielen Sünden und Schlechtigkeiten, aber
auch die Gewißheit seiner Begnadigung. Heute ernährt dieser ehemali-
ge Vagabund — jetzt ein Bekenner und Zeuge Jesu — als ein ordentli-
cher, nüchterner Familienvater die Seinigen in treuer Arbeit.
Lukas 19, 10: „Des Menschen Sohn ist gekommen zu suchen und
selig zu machen, das verloren ist."
Aus: Von der Landstrasse des Lebens-Georg von Viebahn